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Rede zum Kreishaushalt 2015

Haushaltsrede – B 90/Die Grünen – 12. Dezember 2014

(Gehalten durch Günter Jochum, Fraktionsvorsitzender. Leichte Abweichungen zwischen Text und gesprochenen Wort sind üblich...)

 

Sehr geehrter Herr Landrat,

sehr geehrte Damen und Herren,

 

Als Neuling im Kreistag musste ich mich in den zurückliegenden Monaten ja erst einmal orientieren und akklimatisieren. Vermutlich nimmt man als „Neuer“ die Stimmungen und Verhaltensweisen noch etwas anders wahr, als wenn man sich schon an Vieles über die Jahre hinweg gewöhnt hat.

Aber wenn auch die Mehrzahl der aktuellen Kreistags-Mitglieder bereits in der letzten Wahlperiode diesem Gremium angehörte, so sind doch auch andere neu in ihrem Amt und müssen ihre Rolle finden.

Und bislang – so könnte man den Eindruck gewinnen – ist ganz viel Bemühen um Harmonie – eine relative Harmonie zwischen den Fraktionen, die bei einigen Themen fast gleichlautende Anträge stellen, Harmonie zwischen Politik und Verwaltung, Harmonie zwischen dem neuen Landrat und den Fraktionen im Kreistag, Harmonie zwischen dem Landrat und der Bürgermeisterin und den Bürgermeistern.

Aber vermutlich trügt diese friedliche Stimmung – und das ist auch gut so, denn es wäre wohl fatal, wenn wir nicht in absehbarer Zeit zum konstruktiven Streiten kommen.  Organisationen haben und brauchen Konflikte, damit sie sich entwickeln können. Die Vermeidung von Konflikten ist nicht die Lösung, sondern zentraler Teil des Problems.

Trotzdem halte ich es für gut, dass wir – wir, die Fraktionen und der neue Landrat – dass wir in diese neue Wahlperiode mit viel Vorsicht hineingegangen sind. Ich bin sicher, wir werden uns in absehbarer Zeit auch wieder streitbar zeigen (Vielleicht ja auch schon am heutigen Nachmittag bzw. Abend).

Da haben wir nun seit Juni einen neuen Kapitän auf der Brücke des riesigen Schiffes „Kreis Siegen Wittgenstein“. Und auch in der Reederei  hat sich einiges verändert. Die Mehrheitsverhältnisse der Fraktionen haben sich verschoben und es sind altgediente Personen nicht mehr dabei, dafür ein paar neue hinzugekommen.

Und nun gilt es den Kurs neu zu bestimmen. Ein spannender Prozess, wie ich finde. Der neue Kapitän hat uns sinngemäß mitgeteilt, dass der Kurs, wie er mit der Haushaltssatzung für das kommende Jahr bestimmt wird, noch der zurückliegenden Wahlperiode geschuldet ist. Zwischen seinem Amtsantritt und der Aufstellung des Haushaltes am 1. Oktober 2014 war es nicht möglich, dieses Schiff „Siegen-Wittgenstein“ mal schnell auf einen anderen Kurs zu bringen.

Wir haben vom Landrat vernommen, dass er im kommenden Jahr die Prozesse, Projekte und Aufgaben des Kreises einer gründlichen Analyse unterziehen möchte, um daraus dann entsprechende Schlüsse zu ziehen. Das klingt plausibel und dazu möchten wir ihn ausdrücklich ermutigen.

Eine ergebnisoffene Betrachtung der vielfältigen Aufgaben wird sicher nicht dazu führen, dass  der Kreis Siegen-Wittgenstein völlig umgekrempelt wird. Aber möglicherweise gibt es Einsparpotentiale durch Effizienzsteigerung oder es werden Doppel- und Mehrfachstrukturen ausfindig gemacht, die zurückgefahren werden sollten. Und selbstverständlich gibt es Bereiche, in denen wir die Arbeit intensivieren müssen oder neue Aufgaben zu übernehmen haben.

Sehr geehrter Herr Müller,

gerne würden wir – das kann ich für unsere Fraktion sagen – vermutlich aber auch für die anderen Fraktionen, - gerne würden wir diesen Analyseprozess – oder wie sie es mal formuliert haben – diese Diagnose – konstruktiv begleiten.

Es wäre unseres Erachtens gut, wenn der Landrat gemeinsam mit Politik und Verwaltung auf Augenhöhe den IST-Stand ermittelt und Entwicklungs- und Optimierungspotentiale ausfindig macht.

Und da sich die Fraktionen bislang nicht in politischen Grabenkämpfe gegenseitig über Gebühr beharken, bietet sich mal noch die Chance, sich sachorientiert auf den Weg zu machen und den neuen Kurs in gemeinsamen Diskurs zu bestimmen.

Im Jahr 2015 wird sich also herausstellen, ob die Stimmung zwischen den Fraktionen, der Verwaltung und dem Landrat weiterhin so harmonisch sein wird, wie es derzeit den Anschein noch hat.

Harmonie herrscht derzeit auch (noch) zwischen dem Kreis und den Kommunen, was die Kreisumlagen angeht. Das Entgegenkommen gegenüber den Kommunen, welches darin besteht, die Kreisumlage im kommenden Jahr nicht zu erhöhen, ist sicher ein gutes Signal. Der Kreis steht im Vergleich mit den Städten und Gemeinden noch ganz gut da. Allerdings müssen wir im Blick behalten, dass die Ausgleichsrücklage, wenn wir nicht ernsthaft daran gehen, den Haushalt zu verschlanken, schneller aufgezehrt sein wird, als uns lieb ist. Hoffen wir zunächst einmal darauf, dass der Haushaltsabschluss für das Jahr 2014 wieder deutlich besser ausfällt, als es im Plan veranschlagt war und auch im vorliegenden Entwurf noch Luft ist.

Darauf zu setzen, dass sich die Einnahmesituation der kreisangehörigen Städte und Gemeinden in 2-3 Jahren besser gestaltet, als heute, darf bezweifelt werden. Da wir aber darum wissen, dass viele Kommunen den Gürtel schon sehr eng ziehen müssen, werden wir diesem Änderungsvorschlag, der zum Inhalt hat, die Kreisumlage nicht anzuheben, zustimmen.

Um auch bei der differenzierte Kreisumlage bei den 16,23 % bleiben zu können, mussten auf die Schnelle Kürzungen im Haushaltsansatz vorgenommen werden. Im Jugendhilfeausschuss wurde von „virtuellen Kürzungen“ gesprochen. Bei Licht betrachtet handelt es sich hier um ein zinsloses Darlehn, welches irgendwann zu begleichen ist. Die Kommunalparlamente werden voraussichtlich in 2 Jahren schmerzhaft in die Wirklichkeit zurückgeholt werden. 

Hoffentlich brüsten sich die Bürgermeisterin und die Bürgermeister nicht nur dafür, dass es ihnen gelungen ist, dem neuen Landrat ordentlich was abzuringen, sondern legen den Kommunalparlamenten nahe, schon mal etwas zur Seite zu legen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

so ganz bedingungs- oder wunschlos möchten wir Grünen den vorgelegten Haushaltsentwurf mit den eingearbeiteten Änderungen nun allerdings nicht passieren lassen. Eine Herzensangelegenheit ist uns dabei die Fortführung der Schulsozialarbeit – nicht nur an den kreiseigenen Schulen, sondern auch in den Kommunen. Wir finden es schlimm, dass der Bund sich bislang ziert, diese von ihm initiierte Aufgabe ohne wenn und aber fortzuführen. Dass das Land NRW nun auf den letzten Drücker eine Teilfinanzierung auf den Weg gebracht hat, ist ja ein wenig tröstlich.

Schlimm finden wir, dass dieses Hickhack zwischen Bund, Ländern und Kommunen offensichtlich diejenigen nicht im Blick hat, die mit hohem Engagement eine ganz wichtige Pionierarbeit leisten und seit Monaten im Ungewissen gelassen werden, was ihre berufliche Zukunft angeht. Diese mangelnde Wertschätzung gegenüber dieser Berufsgruppe ist indirekt natürlich auch eine Ignoranz bezüglich dessen, was in der Schulsozialarbeit geleistet wird.

Wer Schulsozialarbeit nicht nur als einen Kostenfaktor betrachtet, sondern sich mal ins Gespräch begibt mit denen, die diese Arbeit tun, wird keinen Zweifel daran haben, dass wir neben den Pädagogen in den Schulen – gerade in Brennpunkten, aber auch sonst – qualifizierte Personen benötigen, die Kindern und Jugendlichen bei den Komplikationen des Lebens beistehen, sie beraten und ihnen und ihren Familien helfen.

Die vielfältigen Projekte der Sozialarbeit an den Schulen haben einen besonderen Stellenwert für die Entwicklung junger Menschen. Insbesondere die präventive Ausrichtung zahlreicher Projekte sorgt dafür, dass Problemfelder innerhalb der Schulgemeinde frühzeitig minimiert werden können. Davon können gerade auch benachteiligte Schülerinnen und Schüler profitieren.

Die Aufgabenbreite hat in letzter Zeit sogar noch zugenommen. So sind zunehmend SchülerInnen ohne Sprachkenntnisse im Schulsystem zu integrieren. Schulsozialarbeit unterstützt die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer und trägt zu einer funktionierenden Gemeinschaft innerhalb des „Systems Schule“ bei.

Wenn es die Schulsozialarbeiterinnen noch nicht gäbe, müssten sie erfunden werden. Und jetzt, wo sie sich etabliert haben, sie wieder abzuziehen, wäre doch sträflich.

Hochachtung für die Kommunen, die eine Lösung zur Fortführung der Arbeit gefunden haben. Dass Gemeinden in der Haushaltssicherung sich da auf den Weg gemacht haben, sollte den Entscheidungsträgern in den sogenannten abundanten Kommunen, die sich da verweigert haben, eigentlich die Schamesröte ins Gesicht treiben. Im Interesse für die profitierenden Kinder, Jugendlichen und Familien – aber auch im Hinblick auf die StelleninhaberInnen, die doch endlich wissen müssen, ob sie ihre Arbeit fortführen dürfen, haben wir den Antrag gestellt, dass der Kreis hier in Vorlage geht.

Nun ist durch die Initiative des Landes die Finanzierungslücke ja kleiner geworden und so können wir unseren Antrag gerne zugunsten des SPD-Antrages zurückziehen. Hauptsache ist, dass die Schulsozialarbeit fortgeführt werden kann. Dass der Bund sich hier alsbald in die Pflicht nehmen lässt, wäre selbstverständlich sehr zu wünschen und zu begrüßen, damit wir in drei Jahren nicht wieder vor dem gleichen Problem stehen.

Unsern Antrag in Sachen Dolmetscherpool werden wir heute erst einmal zurückstellen. Dass die Organisation eines solchen Pools sinnvoll und nötig ist, sehen wir weiterhin. Viele Probleme können gelöst werden, wenn Sprachbarrieren unkompliziert und schnell überwunden werden, sei es bei Behördengängen, sei es beim Arzt oder einer Krankenhausbehandlung. 

Nun wird uns vom Landrat zugesagt, dass das Kommunale Integrationszentrum es übernehmen wird, kreisweit die Personen mit den benötigten Sprachkenntnissen „sichtbar zu machen“ und zu vernetzen. Die in der Region bereits vorhandenen Personen mit Sprachkenntnissen sollen  insgesamt erfasst werden und besser als bisher bekannt gemacht werden. Außerdem sollen Fortbildungen organisiert werden. Wir freuen uns, wenn das Integrationszentrum unsere Anregung aufgreift und hier tätig wird. So fassen wir uns in Geduld und werden das beobachten. Ggf. würden wir aber in einer der nächsten Sitzungen auf dieses Thema wieder zurückkommen.

Die Zustimmung zum Haushalt machen wir sodann noch abhängig von zwei Beschlüssen, die auf eine Eingrenzung von Förderungen mit öffentlichen Geldern zielen.

Zwei Anträge zur Sache, einer von der Partei die Linke und einer von der SPD, beschäftigen sich mit dem Siegerlandflughafen. Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir mit dem weitergehenden Antrag der Linken sympathisieren und dem auch zustimmen werden.

Da der Antrag möglicherweise keine Mehrheit findet, freuen wir uns auch schon über kleinere Fortschritte, nämlich die gutachterliche Prüfung, die aufzeigen soll, ob eine weitere Förderung des Flugbetriebes mit öffentlichen Geldern überhaupt zu rechtfertigen ist.

Nachdem die Sachdarstellung der Verwaltung uns offenbart hat, dass den Gremien schon umfangreiche Daten und Analysen vorgelegen haben, wollen wir mit unserem Antrag sicher gehen, dass diese zeitnah dem Kreistag gegenüber offengelegt werden.

Und zum guten Schluss geht es noch einmal um Harmonie – um die Philharmonie!

Als wir in der Fraktion Anfang November eine Aufstellung über die voraussichtliche Entwicklung der Einnahmen und Ausgaben zur Kenntnis bekommen haben, überkam uns ein Frösteln, welches nichts mit der Außentemperatur zu tun hatte. Der jährliche Zuschuss des Kreises zum Betrieb der Philharmonie würde sich demnach drastisch und mit steigender Tendenz erhöhen. Ab 2017, so die Hochrechnungen, würde der Kreis jährlich eine Million in den Orchesterbetrieb stecken.

Bei aller Liebe zur Kunst und zur Musik – da scheint in den zurückliegenden Jahren ja einiges aus dem Ruder gelaufen zu sein. In der nichtöffentlichen Sitzung des Kulturausschusses sind ja einige Bereiche dieser komplexen Gemengelage angesprochen worden, wo großer Handlungsbedarf erkennbar wird. Viel Hoffnung wird nun in den neuen Intendanten gesetzt. Wir wünschen ihm da ein gutes Händchen und die Unterstützung des Trägervereins bei dieser sicher nicht leichten Aufgabe.

Mit der SPD-Fraktion sind wir überein gekommen, den Konsolidierungsbemühungen etwas mehr Nachdruck zu verleihen. Wir Grünen hatten mit unserem ursprünglichen Antrag dem neuen Intendanten und dem Vorstand des Trägervereins etwas mehr Zeit eingeräumt, dafür aber die Einbeziehung externer Sachverständiger gefordert, weil wir nach den Berichten aus dem Kulturausschuss schon den Eindruck hatten, dass es  in der Vergangenheit hier und da an dem nötigen Sachverstand gefehlt hat – natürlich nicht an musikalischem Sachverstand, sondern was die Betriebswirtschaft oder das Marketing betrifft. Ein Vergleich mit anderen Orchestern gleicher Größenordnung erschien uns auch sinnvoll, in der Hoffnung, dass die es besser hinbekommen und man von ihnen sich was abgucken könnte.

Im gemeinsamen Antrag haben wir auf die verbindliche Einforderung dieser Vorgehensweise verzichtet. Wir legen es trotzdem nahe, damit wir Mitte des Jahres nicht nur nach unserem Bauchgefühl zu entscheiden haben, sondern mit entsprechenden Expertisen unterlegte Sachdarstellungen und Prognosen vorgelegt bekommen.

Die in die Öffentlichkeit getragene Diskussion um einen möglichen Standortwechsel des Orchesters möchten wir an dieser Stelle bewusst außer Acht lassen. Wir drücken aber unsere Verwunderung darüber aus, weil wir uns fragen, wer hier eigentlich die treibenden Kräfte sind und aus welcher Motivation heraus sie hier agieren. Geht es dabei um die Zukunft der Philharmonie oder stehen da ganz andere oder eigene Interessen im Vordergrund? Uns liegt daran, dass man auf die Interessen der MusikerInnen und deren Familien hier Rücksicht nimmt und nicht über deren Köpfe hinweg diskutiert und agiert.

Sehr geehrter Herr Landrat,

sehr geehrte Damen und Herren!

einen völlig harmonischen Abschlussakkord wird es am Ende der diesjährigen Haushaltsberatungen vermutlich nicht geben. Einige Kröten muss man schon schlucken. Dennoch spricht unseres Erachtens vieles dafür, mit diesem Zahlenwerk in das neue Jahr zu gehen. Nehmen sie es als einen Vertrauensvorschuss, den wir einzubringen bereit sind. Wir hoffen auf eine ernsthafte Durchforstung der Haushaltsansätze und der damit verbundenen Tätigkeitsfelder im kommenden Jahr und wünschen uns eine konstruktive Zusammenarbeit.

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