BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

KT-Fraktion Siegen-Wittgenstein

Rede zum Haushalt 2018

Sehr geehrter Herr Landrat,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,

Für die Haushaltsplanberatungen sehen wir den Vorschlag der Verwaltung als soliden Entwurf an, halten aber dennoch an einigen Stellen Änderungen für notwendig.

Änderungsbedarf sehen wir beispielsweise im Haushalt der Wasserbehörde. Diese hat seit Jahren kein eigenes Budget mehr für Gewässeruntersuchungen und ist darauf angewiesen, dass Dritte die Kosten hierfür übernehmen. Die gesetzlichen Aufgaben der Gewässeraufsicht gelten aber unabhängig davon, ob Externe die Kosten tragen oder nicht. Und Wasser- und Gewässerqualität beeinflussen sowohl unser Leben als auch den Natur- und Artenschutz in erheblichem Maße. Deshalb ist es höchste Zeit, hier die Haushaltsmittel etwas zu erhöhen. Wir beantragen deshalb eine Erhöhung um 10.000 €.

Darüber hinaus sprechen wir uns dafür aus, dem Antrag der Beratungsstelle TAMAR auf Zuschuss in Höhe von 40.000 € jährlich stattzugeben. Wir halten diese Form der Beratung von Prostituierten für ein sehr wichtiges und sinnvolles Instrument und freuen uns, dass der Gesundheitsausschuss dies mehrheitlich genauso sieht. Wir können damit leben, diesen Zuschuss zunächst mit einem Sperrvermerk zu versehen.

Diskussionsbedarf sehen wir auch bei der langfristigen Sicherung des Sozialtickets. In Siegen-Wittgenstein und Olpe ist die MobilitätsCard eine Erfolgsgeschichte. Über 4.000 Menschen mit geringem Einkommen konnten wir so bezahlbare Mobilität ermöglichen. Das muss auch für die Zukunft erhalten bleiben. Deshalb ist es ein Etappensieg, dass die schwarz-gelbe Landesregierung ihre Pläne, die Finanzierung des Sozialtickets abzuschaffen, zumindest vorerst begraben hat. Wie es nach 2018 weiter geht, ist aber nach wie vor offen. Umso wichtiger ist es, dass wir als Kreistag ein Signal an unsere Landtagsabgeordneten senden. Es darf nicht sein, dass die Landesregierung auf dem Rücken der Ärmsten in unserem Land spart. Dementsprechend gilt der Dank an die Verwaltung dafür, dass sie unseren Antrag hierzu zu einer Resolution umgearbeitet haben, der wir selbstverständlich gerne zustimmen.

Seit der Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 sind die Höchstsätze zur Kaltmiete im Rahmen der Kosten der Unterkunft nicht angepasst worden. Seitdem hat sich der Wohnungsmarkt jedoch stark verändert. Die Anzahl der Sozialwohnungen ist seit der Jahrtausendwende um rund ein Drittel gesunken und wird auch zukünftig weiter sinken. Nimmt man 1988, mein Geburtsjahr, als Vergleichsmaßstab, ist der Bestand an Sozialwohnungen gar um über 60% gesunken.

Auch die Mietpreise haben sich in diesem Zeitraum erheblich verändert. Zwischen 2009 und 2014 sind nach einer Studie des LEG die Mieten in Siegen-Wittgenstein um bis zu 30% gestiegen. In Siegen ist mittlerweile eine Wohnung für 5 €/qm² kaum noch zu finden.

Dementsprechend ist nicht erst seit gestern klar, dass die derzeit noch geltenden Angemessenheitsgrenzen ihren Namen nicht mehr gerecht werden und dringend angepasst werden müssen.

In vielen Fällen sehen sich Personen, die teilweise seit Jahrzehnten in ihrer Wohnung gelebt haben, einer Umzugsaufforderung ausgesetzt. Das betrifft auch viele Menschen, die aufgrund ihrer niedrigen Rente in die Grundsicherung gerutscht und von Altersarmut betroffen sind. Dieser Zustand ist sozial ungerecht und untragbar.

Aus diesen Gründen haben wir Grüne schon vor fast zwei Jahren beantragt, die Sätze anzupassen. Was folgte waren die Anwendung der großen Produkttheorie, die das Problem aber nicht im erhofften Umfang lösen konnte. Und runde Tische, an denen übrigens auch Vertreter der Kommunen beteiligt waren, deren BM jetzt Brandbriefe schreiben. Leider hat sich aber herausgestellt, dass auch diese Behelfsmaßnahme kaum gewirkt hat.

Aus diesen Gründen ist eine Erhöhung der Sätze längst überfällig.

Die Bürgermeister argumentieren, dass die „einseitige“ Erhöhung der Angemessenheitsgrenze „Mitnahmeeffekte der Vermieter ermögliche“ und der finanzielle Aufwand verpuffe.

Sie gehen aber nicht auf die faktisch bereits gestiegenen Mieten ein – oder darauf, dass auch jede spätere Erhöhung den gleichen Effekt haben könnte.

Die Auffassung der Bürgermeister, dass das Wohnungsangebot insgesamt zu verbessern ist, teilen wir absolut – und es ist die nachhaltigste aller Forderungen.

Das Problem ist aber, dass unabhängig von noch in Auftrag zu gebenden Wohnraumanalysen und schlüssigen Konzepten hier und heute nachweisbar bereits ein Problem besteht, welches ausschließlich auf dem Rücken der Betroffenen ausgesessen und verschleppt wird. Eine Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus ist zwar wünschenswert. Allerdings ist dies nicht von heute auf morgen zu erreichen. Und der Bedarf ist jetzt da.

Wenn, dann haben die Kommunen die entsprechenden Grundstücke und die Planungshoheit und Möglichkeiten, Verkauf von städtischen Grundstücken von anteiligen Quoten im sozialen Wohnungsbau abhängig zu machen. Entstanden sind in den letzten Jahren aber hauptsächlich Eigentumswohnungen.

Auch in den Aufsichtsräten der Wohnungsbaugenossenenschaften einschließlich der KSG sitzen die Bürgermeister – bislang ohne dort entsprechend einzuwirken. Auch hier hat bislang ausschließlich die Aussage gezählt, dass sich sozialer Wohnungsbau bei der derzeitigen Förderung in unserer Region, nicht rechne. Der Appell, den Genossenschaften zumindest die günstigen Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen, verhallte ebenfalls mehrere Jahre ungehört.

Wir stellen fest: Jeder Monat, in dem die KdU unverändert geblieben ist, hat zwar Geld gespart, gleichzeitig bei den Verantwortlichen der Misere dazu geführt, dass eben nicht alles dafür getan wurde, um mehr Sozialwohnungen zu bauen.

Seit unserem Antrag sind 21 Monate vergangen – und das Problem ist gewachsen. Der Kreis ist zur Erstattung angemessener Wohnungskosten gesetzlich verpflichtet. Es wird höchste Zeit!

Positiv sehen wir hingegen das Vorhaben der Kreisverwaltung, E-Ladesäulen auf kreiseigenen Grundstücken zu installieren. Damit zeigen wir, dass wir Elektromobilität ernst nehmen und fördern. Hierzu gehören für uns auch E-Bikes. Insofern freuen wir uns, dass unsere Anregungen nach zusätzlichen Steckdosen hierfür berücksichtigt wurden.

Wichtig ist hierbei, dass bei der Umsetzung Betreiberoffenheit gewährleistet wird. Wir erwarten hier eine vertragliche Absicherung, dass die Stromkosten für das Aufladen im marktüblichen Rahmen bleiben und keine Mondpreise für eine Kilowattstunde Ladestrom verlangt werden

In den vergangenen Jahren sind die Jahresabschlüsse des Kreishaushaltes immer besser ausgefallen als der Haushaltsplan. Auch deshalb beantragen wir bei der allgemeinen Kreisumlage eine Senkung um einen weiteren halben Prozentpunkt auf 38%. Dadurch entlasten wir die Kommunen in Siegen-Wittgenstein um über 2 Mio. €. Dieses Zeichen der Solidarität und Rücksichtnahme gegenüber den kreisangehörigen Kommunen ist vor diesem Hintergrund vertretbar. Dieser Hebesatz ist nebenbeigemerkt der niedrigste seit 2004. Das war das erste Haushaltsjahr unter Landrat Breuer.

Etwas differenzierter sieht die Lage hingegen bei der differenzierten Kreisumlage aus. Da im letzten Haushaltsjahr offensichtlich, nicht ganz unbeabsichtigt, die differenzierte Kreisumlage zu knapp kalkuliert wurde, ist eine Erhöhung nur folgerichtig. Das ist im Übrigen auch kein Ausdruck der Verschwendung der Kreisverwaltung. Da der Jugendamtshaushalt eh spitz abgerechnet wird, sollte der Diskussion um die „richtige“ Höhe der differenzierten Kreisumlage ihre Schärfe nehmen.

Mit dem fast einstimmigen Kreistagsbeschluss zum Siegerland-Flughafen im März sind wir gemeinsam einen guten Schritt vorangekommen. Erstmals sind auch Unternehmen bereit, sich an den Kosten zu beteiligen. Allerdings ist die bislang zugesagte Beteiligung nicht ausreichend, um den Flughafen langfristig zu sichern. Wir Grüne gehen jedenfalls davon aus, dass der Märzbeschluss auch zukünftig für den Kreistag Bestand haben wird.

Erfreulich sehen wir auch den beschlossenen Verkauf des RWE-Aktienpaketes des Kreises. Hierdurch stellen wir sicher, dass die Vermögenslage des Kreises nicht zum großen Teil von der Wirtschaftslage eines Unternehmens abhängig ist. Gleichzeitig haben wir mit der Wiederanlage in einem Spezialfonds die begründete Hoffnung, dass das Geld langfristig sicher und ertragreich angelegt ist.

Wie schon gewohnt, so waren die Haushaltsplanberatungen auch in diesem Jahr arbeits- und debattenreich. Das gilt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kreisverwaltung noch mehr als für uns Kreistagsmitglieder. Deshalb geht der Dank an die Verwaltung für ihre stets kompetente und schnelle Beratung und Unterstützung

Herr Landrat, meine sehr geehrten Damen und Herren,
unter der Voraussetzung, dass die von uns gestellten Haushaltsanträge eine Mehrheit finden, werden wir Grüne dem Haushalt zustimmen.

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