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"Rede zum Haushalt 2023"

Sehr geehrter Herr Landrat Müller,
sehr geehrtes Kollegium des Kreistages,
sehr geehrte Mitmenschen,

im Januar diesen Jahres sind die meisten von uns mit einigen Hoffnungen in das Jahr 2022
gestartet.
Es schien, dass wir die Pandemie, wenn auch noch nicht besiegt, so doch wenigstens als beherrschbar erlernt hatten. Die aufgelaufenen Ängste und Nöte konnten in einem großen Kraftakt relativiert und gemindert werden.

Der 24. Februar 2022 ließ die zarten Hoffnungen ruhen. Der russische Präsident Putin hat mit seinem völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine den Krieg zurück nach Europa gebracht. Vor unser Haustür wird eine Nation als „unwert“ bezeichnet, werden Verträge gebrochen, Hass gesät, Familien und Gemeinschaften entzweit, Menschen ermordet.
Die Menschen aus der Ukraine, meist Frauen und Kinder, flohen in millionenfacher Zahl zumeist in angrenzende westeuropäischen Länder.

Auch im Kreis Siegen- Wittgenstein haben viele Flüchtlinge vorübergehende Bleibe gesucht. Und gefunden.
In einer immer noch andauernden Welle der Hilfsbereitschaft wurden und werden Flüchtlinge in Familien aufgenommen, Vereine und Verbände stellen Räume zur Verfügung, organisieren Sachmittel und kümmern sich in den ersten Tagen nach der Ankunft um die oft kriegstraumatisierten Menschen.
Die Kommunen in unserem Kreis und der Kreis Siegen- Wittgenstein organisieren Zwischenunterkünfte, legen, wo möglich, die bürokratischen Hürden bei finanziellen Hilfen niedrig an und warteten nicht auf Mittelzuweisungen aus Bund und Land.

Es wurde Menschlichkeit gezeigt und Verwaltungs- Spielräume genutzt, den Menschen Vertrauen entgegengebracht, eine echte Willkommenskultur gezeigt.
Eine liebens- und wünschenswerte, unseren gemeinsamen Werten entsprechende Eigenschaft, die hoffentlich auch weiterhin sichtbar bleibt und gelebt wird.

Das war in der jüngsten Vergangenheit im Kreis Siegen- Wittgenstein nicht immer der Fall.
Es kam mehr als einmal vor, dass um Bleiberecht ersuchende Elternteile einer kinderreichen Familie, mit Arbeitsstelle, seit vielen Jahren im Kreis Siegen- Wittgenstein sesshaft, nicht verhaltensauffällig, komplett integriert, vom Schreibtisch der Ausländerbehörde des Kreises weg in Hand- und Fußfesseln in Abschiebehaft genommen wurden.
Dieses Vorgehen erfolgte nicht spontan, sondern wurde seitens der Ausländerbehörde geplant und vorbereitet.

Vorgänge, die den Kreis Siegen- Wittgenstein zuvor mehrfach und erst jüngst im ZDF zu zweifelhafter Berühmtheit verholfen haben.
Für mich immer noch unvorstellbar, dass derlei Willkür bei uns möglich ist und die praktizierende Behörde dann auch noch alle Verantwortung von sich weist: Man habe ja nur nach den Buchstaben der Gesetze gehandelt. Die im übrigen nicht geeignet seien.
Es bleibt abzuwarten, ob die Kreisausländerbehörde tatsächlich (Zitat!) „die Umsetzung der Bleiberechte für gut integrierte Ausländer durch Prüfung und Beratung hinsichtlich der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen (...) intensiviert.“
So jedenfalls lautete die Ankündigung der Behörde auf unsere Anfrage im SGB im September diesen Jahres.

Wir werden Landrat und Dezernent daran messen.
Erfolgversprechend hingegen schon jetzt ist das umsichtige und kluge Engagement bei dem Berufskolleg des Kreises.
Neue, innovative Ausbildungsgänge wurden auf den Weg gebracht und die Ausbildungssituation in unserer Region sicher und attraktiv gestaltet.
Beispielhaft zu nennen ist der neue Ausbildungsgang „Immobilienkauffrau/-kaufmann“ oder auch die Teilnahme am landesweiten Schulversuch Fachoberschule mit dem Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst.

Abgerundet wird die gute Entwicklung des Berufskollegs durch notwendige bauliche Erweiterungen zur Steigerung der Aufenthaltsqualität und Investitionen in Ausstattung und Digitalisierung, die nicht auf die lange Bank geschoben wurden.
Beim Kommunalen Integrationszentrum mahnen wir Effizienz durch ausreichenden und notwendigen Praxisbezug an. Es macht keinen Sinn, wenn hier Angebote parallel zu schon vorhandenen Strukturen für viel Geld entwickelt werden.
Als Beispiel sei das KI- Programm „lokales Konfliktmanagement“ genannt, das bei genauer Betrachtung schon ganz gut durch die bereits vorhandenen Schiedsfrauen- und männer abgedeckt wird.

Der Haushaltsansatz in den Bereichen Schule, Weiterbildung, Sport und Integration mag ausreichend sein.
Ob die Verwaltung es allerdings ohne zusätzliches Personal schaffen kann, die nach der Wohngeldreform stark steigende Zahl der Bildungs- und Teilhabeanträge , wie zum Beispiel auf das kostenlose Mittagessen , zeitnah zu bearbeiten, daran bleiben Zweifel.

Im sozialen Bereich wurden bisher im SGB- und Jugendhilfe- Ausschuss oft einmütige Beschlüsse erfolgreich auf den Weg gebracht.
Die größten Ausgaben des Kreises liegen mit aktuell über 68% im sozialen Bereich.
Insbesondere der Bereich für die Unterhaltung der Kindertagesbetreuung, also der Ermöglichung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für uns unstrittig.
Mit den Ausgaben im Bereich der klassischen Jugendamtsarbeit liegt der Kreis innerhalb Südwestfalens offensichtlich an der Spitze. Was eine gute Nachricht ist.
Allerdings lässt die Umsetzung der Beschlüsse im sozialen Bereich zunehmend eine neue, ungute Kultur erkennen.

Themen, die der Ausschuss mit Rücksicht auf den neuen Dezernenten, zeitlich verschoben hat, werden unter einem anderen Deckmantel von der Verwaltung erst ausgesessen um dann neu und im Sinne der Verwaltung präsentiert.

Andere Beschlüsse des SGB- Ausschusses würden ohne Erinnerung an die Verwaltung kaum überleben. So wurden die vor über drei Jahren getätigten Beschlüsse des Kreistages zur Dezentralisierung des RSD bis heute nur in schmallippigen und aktuell unsachlichen Ansätzen angegangen.
Man gewinnt den Eindruck, dass man seitens der Verwaltung sich nicht zu Schade ist, viel Energie in die Durchsetzung der eigenen Vorstellungen zu investieren, andere Beschlüsse hingegen, die nicht dem eigenen Gusto entsprechen, in Vergessenheit geraten oder zur Not vom Kreistag zurücknehmen lässt.

Respekt vor den politischen Gremien des Kreis Siegen- Wittgenstein und seiner gewählten Mandatsträger sieht anders aus!

Dieser Respekt wird auch dieser Tage bei den Handlungen um die Wisente nicht gezollt.
Ich möchte jetzt hier nicht weiter auf die Bedeutung des Projektes, den Sachstand und seine Geschichte dazu eingehen, da ich davon ausgehe, dass diese den Anwesenden weitgehend bekannt ist.

Seit spätestens Mitte Oktober verspricht Herr Landrat Müller der Politik, was diese in überwiegender Mehrheit vehement fordert: Nämlich die dringende Winter- und Lenkungsfütterung durch den Kreis Siegen- Wittgenstein zu organisieren und zu sichern.
Noch Mitte November bestätigte Landrat und Dezernent den baldigen Beginn der Fütterung gegenüber allen Fraktionsvorsitzenden.
Anfang Dezember gab es u.a. dazu eine Beschlussempfehlung des Umweltausschusses an den Kreistag, der auch heute zum Entscheid auf der Tagesordnung steht.
Wie den meisten bekannt sein dürfte , reichte Landrat Müller einen Antrag auf einstweilige Verfügung noch vor Sitzungsbeginn des Umweltausschusses bei Gericht mit dem Ziel ein, den Trägerverein in die Verantwortung zur Organisation und Durchführung der Fütterung durch Rückkehr in den zuvor gekündigten Vertrag zu zwingen.
Unbelassen der anderen mannigfaltigen Streitpunkte: Sieht so lösungsorientiertes, gemeinschaftliches, verbindliches, also professionelles Handeln in einer dringenden Problemsituation aus?

Was hat die Verwaltung, vertreten durch Landrat und Dezernent, an Lösungen zur Winterfütterung in den vergangenen zwei Monaten beigetragen? Wie hat sie kommuniziert?

Die Einschätzung kann nur lauten: Zu wenig! Und zwar in allen Belangen!
Offensichtlich gab und gibt es bei den Verantwortlichen in der Verwaltung des Kreises keinen Willen zur einvernehmlichen Lösung, die dem Tierwohl entspricht.
Vielmehr scheint es so, dass der notwendige kühle Kopf in der Sache von kaum nachvollziehbarer Emotionalität und persönlichen Befindlichkeiten übertönt wird.
Vielleicht ist es aber auch so, dass man außer Rechthaberei keinen Plan hat.
Der Schaden, den die Verwaltung in dieser Sache den Wisenten, dem Artenschutz und dem Image des Kreis Siegen- Wittgenstein beginnt zuzufügen, kann man schaudernd erahnen.
Widerspruchslos hinnehmen wird die grüne Kreistagsfraktion es nicht!
Die einstweilige Verfügung wurde übrigens vom Gericht höchstselbst einkassiert. Also abgelehnt.

Richtig gut läuft es hingegen im Bereich des Kultur-Büros.
Da sind Landrat und Leiter des Büros offensichtlich seit Jahren auf dem richtigen Weg, den schmalen Grad der Effizienz bei den eingesetzten Kulturgeldern sicheren Schrittes zu meistern.
Sei es der Dauerbrenner KulturPur, Bühnenprogramme im Lyz oder jüngst das europäische Literaturfestival vielSeitig.
Es gibt eigentlich keine Maßnahme des KulturBüros, die nicht in jeder Hinsicht als erfolgreich bezeichnet werden kann und beim Publikum großen Zuspruch fand.
Dabei fungiert das Kultur!Büro nicht nur als Konzeptionist und Veranstalter in eigener Sache sondern auch als Berater der kreisangehörigen Kommunen und Förderer vieler kulturellen Privatinitiativen im Kreis.

Das Lichtkunstfestival 5lights@ wird unter maßgeblicher Mitwirkung des Kultur!Büros der Blick als Veranstalter wie auch für die anzusprechenden Zielgruppen über den Tellerrand hinaus geweitet.
Als erstes gemeinsames kulturelles Großprojekt der fünf südwestfälischen Kreise entsteht hier bis 2025 ein weithin sichtbares Leuchtturmprojekt für den Kreis Siegen- Wittgenstein und die ganze südwestfälische Region.
Nicht zu vergessen sind im Produktbereich 04, die Philharmonie mit einer knappen Million Kosten, die Volkshochschule, Heimatpflege und das Kreisarchiv.
Insgesamt betrachten wir die veranschlagten Mittel im Produktbereich 04 als gut angelegt!
Einen Wermutstropfen kann ich jedoch nicht ersparen: Der vorgelegte Haushalt dient zu großen Teilen der reinen Zuschussfinanzierung laufender Projekte.

Zu einem der vornehmsten Aufgabenfelder des Kultur!Büros gehört jedoch die Entwicklung zukünftiger, großer Kultur- Projekte.
5lights@ ist derzeit das einzige Großprojekt im Entwicklungs- Portfolio.
Hier gilt es in naher Zukunft wieder verstärkt tätig zu werden.


Es ist schwierig den gegebenen Begründungen im Stellenplan zu folgen.
Die Erklärungen zu den Umwandlungen zwischen den Stellen von Beamten und tariflich Beschäftigten klingt sehr bemüht ohne wirklich zu überzeugen.
Die neue, halbe Beamtenstelle im Bereich der Philharmonie können wir nicht nachvollziehen.

Es hieß im Vorfeld zum Bau der neuen Philharmonie- Heimstatt, das durch den Umzug keine weiteren Kosten entstehen würden. Unter dem Aspekt fällt es schwer die Stelle einzuordnen.
Unbegründet ist auch der Zugang von 0,5 Beamtenstellen in der Organisationseinheit Landrat. Nach wie vor kurios ist das Plus von 4,5 tariflichen Stellen, die durch eine (Achtung! Zitat Kämmerer) „Überarbeitung des Stellenplans durch das Personalamt“ zum Vorschein kommen.

Das klingt eher nach einem jahrelangen Hütchenspiel, bei dem man jetzt die Murmel offenbart, als nach souverän- transparenter Planung.
Andererseits ist aber auch klar, dass die gestiegenen Anforderungen gerade im sozialen Bereich sich auch im Stellenplan niederschlagen müssen.
Zusammen genommen bewertet die grüne Kreistagsfraktion den vorgestellten Stellenplan uneinheitlich, so daß wir uns nach dem derzeitigen Stand der Dinge enthalten werden.

 

Die große Gretchenfrage im Zusammenhang mit dem Kreishaushalt sind immer die Kreisumlagen als die vermeintlich alles entscheidende Kennzahl.
Ist ja auch nachvollziehbar. Immerhin wird hier der Griff in die Kasse der kreisangehörigen Städte und Gemeinden manifestiert.
Und die stehen teilweise tatsächlich mit dem Rücken zur Wand.
Was allerdings oft vergessen wird, das auch der Kreis umlagegetrieben ist.
Geplant ist bei der Landschaftsumlage ein plus von 6,8 Mio Euro.
Zum Vergleich: Die Kreisumlage steigt derzeit geplant um 11,1 Mio Euro.
Und noch eine Zahl zum Staunen aus dem Rechenschieber von Herrn Damm:

Die Pflichtaufgabe „Grundsicherung nach SGB II“ steigt um 11Mio Euro, frisst also die Steigerung der Kreisumlage fasst schon wieder auf.
Ich sehe in der Gesamtbetrachtung tatsächlich keine Spielräume für eine Senkung der Kreisumlage gegenüber 2022.
Wo genau gespart werden kann, um auch eine Umlagesteigerung zu vermeiden oder wenigstens geringer auszuweisen, können Ihnen en Detail die Grünen nicht sagen.
Dafür sitzen wir ja heute hier!
Aber mit einem genauen Blick auf die Teilergebnispläne kann man vielleicht Produktbereiche identifizieren, bei denen sich Einsparungen mit relevanten Auswirkungen realisieren lassen.

Zum Schluss natürlich der grüne Haushalts- Klassiker:
Der Siegerlandflughafen ist aus unzähligen, bekannten Gründen immer noch überflüssig.
Die 600TEUR an Sparpotential sind jetzt abrufbereiter denn je.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!


Mit freundlichen Grüßen                                               

Ulrich Schmidt Kalteich 
Fraktionssprecher



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