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"Haushaltsrede von Fraktionssprecher Ulrich Schmidt-Kalteich"

Haushaltsrede Ulrich Schmidt-Kalteich zum Haushalt SiWi - es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Landrat Müller,
sehr geehrtes Kollegium des Kreistages,
sehr geehrte Mitmenschen,

bereits im vergangenen Jahr habe ich meine Rede mit dem Überfall auf die Ukraine begonnen. Heute muss ich einen weiteren Krieg notieren, der für uns im Kreis Siegen-Wittgenstein auch besondere Bedeutung hat. Das Massaker, dass die Terrorgruppe Hamas am 07.Oktober letzten Jahres unter anderem an den Besuchern eines Musik- Festivals in Israel anrichtete, war barbarisch, grausam und menschenverachtend. Die Reaktion Israels zur Verteidigung ihres Staates war und ist berechtigt, machtvoll und unverhältnismäßig.

Beide Konflikte haben unmittelbar Auswirkungen auf unsere lokale Gemeinschaft: Vor dem Krieg in der Ukraine flüchten viele Menschen immer noch auch in unseren Kreis und suchen bei uns Sicherheit und Schutz. Der nach Israel getragene und in Gaza tobende Krieg betrifft uns nicht nur wegen der besonderen Verbindung zu Israel, sondern trifft auch unsere Freunde in Emek Hefer, mit denen wir bangen und um die wir Angst haben.

Beide Konflikte stellen uns im Kreis Siegen- Wittgenstein vor ganz eigene Probleme und erfordern individuelle Lösungen und womöglich kostspielige Maßnahmen vor Ort Insbesondere aber benötigen alle in den Kriegsgebieten betroffenen Menschen unsere Solidarität, Hilfe zum Überleben und Unterstützung, nicht zuletzt bei der aufrichtigen Suche nach einem gerechten Frieden.

Was wir hier überhaupt nicht gebrauchen können ist, auf dem Rücken von Flüchtlingen- egal welcher Herkunft- Hass und Hetze auszubreiten. Sätze wie „Die gehören sowieso alle abgeschoben und bekommen unsere Hilfe nicht“, sind so vor gar nicht allzu langer Zeit in diesem Kreistag gefallen. Solche Aussagen sind nicht nur zutiefst undemokratisch und empathielos. Sie wurzeln in dunkler deutscher Vergangenheit.

Schulbegleitungen spielen eine entscheidende Rolle für die Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit besonderen Bedürfnissen und guter Schule an sich. Sie unterstützen Kinder und Jugendliche dabei, am regulären Schulalltag teilzunehmen, sich in die Klassengemeinschaft zu integrieren und ihre individuellen Fähigkeiten zu entfalten. Schulbegleitungen tragen dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen die notwendige Unterstützung erhalten, um erfolgreich am schulischen Leben teilzuhaben. Sie fördern die soziale Teilhabe und tragen zur Chancengleichheit im Bildungssystem bei, was eine enorme gesellschaftliche Relevanz hat.
Daher sind Schulbegleitungen von großer Bedeutung für die erfolgreiche Umsetzung von Inklusion in der Schule, da sie Teil der so erforderlichen multiprofessionellen Teams sind, die generell für guten Unterricht und gute Schule notwendig sind.

Der Kreis Siegen- Wittgenstein will nun aber per Federstrich die Individualbetreuung zu Gunsten einer Pool- Betreuung einführen und eine generelle Größe von wenigen Wochenstunden Schulbegleitung pro Einzelfall verordnen. Eine solcher Aktionismus trägt nicht dazu bei, das Vertrauen von Eltern, Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften in unser Schulsystem zu stärken, da so entscheidende Vorteile der bisher gewährten Individualbetreuung abrupt entfallen. Eine Poollösung von Schulbegleitungen in Schulen kann Sinn machen, sofern sie umsichtig und sukzessive, in Aushandlung mit allen Beteiligten Wohlfahrtsverbänden, Eltern und Schulleitungen installiert wird. Andernfalls geht es einmal mehr zu Lasten der Schwächsten in der Gesellschaft.

Wir hoffen hier auf eine baldige, fachlich fundierte Prüfung, deren Ergebnisse auch außerhalb eines einzelnen Erfahrungshorizontes auch Relevanz haben können. Sowieso scheint die eigene Überzeugung der Verwaltungsspitze häufig als einziger Maßstab für Verwaltungshandeln herhalten zu müssen, so unser Eindruck aus dem vergangenen Jahr 2023.

Der Verwaltung nicht genehme Vorlagen aus dem politischen Raum werden gerne durch Ergänzungen sinnentfernt und so unkenntlich gemacht, sodass es dann häufig zur gewünschten Ablehnung durch den Ausschuss kommt. Der geneigte Beobachter konnte dies sehr eindrücklich an dem durch uns eingebrachten Vorschlag zur Bewertung von sozialen Leistungen sehen: Anstatt dankbar die Anregung nach einem sinnvollen und gerade von den Haushältern geforderten Bewertungs-Verfahren aufzugreifen und als Chance zu verstehen, wurde lieber behauptet, dass dies ja alles subjektiv sei und es kein objektives Bewertungsverfahren geben könne.

Unseres Erachtens zeigt dies zweierlei:

1. Man hat den Antrag nicht verstanden, und

2. das Amt möchte weder die Ergebnisse noch seine Arbeit bewerten lassen.

„Der Kreistag spricht sich (…) für die Fortführung des Artenschutzprojektes aus“.

Sie kennen das verkürzte Zitat aus dem Kreistagsbeschluss vom 22.09.23? Und das zu Grunde liegende Thema sicherlich auch.
Spätestens als der Landrat und sein Dezernent den noch gültigen Dringlichkeitsbeschluss zu den Wisenten den Fraktionsspitzen aufdrängte, konnte man an dem Willen zu ernsthaften Umsetzung des Kreistagsbeschlusses zweifeln. Diese Zweifel hat meine Fraktion auch heute noch, mehr denn je, da nach unserer Überzeugung die Kreistags- Beschlüsse zu DS 309/2023 und DS 310/2023 schon alle notwendigen Voraussetzungen geschaffen hatten, die notwendigen Maßnahmen einzuleiten und umzusetzen. Mit der Umsetzung des vorliegenden Dringlichkeitsbeschlusses ist jetzt behördliches Handeln sanktioniert und wird bis auf Weiteres nicht mehr durch den Kreistag begründet. Salopp gesagt: Der Kreistag ist raus.

Und nach meiner persönlichen Meinung ist mit diesem Beschluss ganz bewusst seitens der Verwaltung das Ende des Projektes eingeläutet worden, da in seinem Schutz jederzeit unumkehrbare Tatsachen geschaffen werden können.

Ein auch noch nicht gelöster Dauerbrenner, zu dem der Dezernent und Landrat, für jeden erkennbar, „keinen Bock haben“, ist den 2. Nationalpark NRW in den Kreis Siegen-Wittgenstein zu holen. Die Ablehnung war so offensichtlich, dass man die vom Kreistag beschlossene „Findungsphase“ erst gar nicht angehen wollte, eine ungeeignete und Verlustängste schürende Informationslage eröffnete und im Übrigen gar nicht daran dachte vielleicht doch geeignete Gebietsszenarien zu entwickeln, zu erklären und zur Diskussion zu stellen.
Vielmehr wurden im Hau-Ruck-Verfahren schnell einige Stellungnahmen eingeholt und auf Basis dieser sollte der Kreistag schon Mitte Dezember, also gute drei Monate vor der offiziellen Frist zum Ende der Findungsphase -entgegen dem Kreistagsbeschluss aus dem September 2023- die ungeliebte Idee zu Grabe tragen.
Herr Landrat Müller und Herr Dezernent Wied Sie müssen jetzt ganz stark sein: Am vergangenen Dienstag wurde seitens der Landesregierung die bisherige Frist, die das Ende der Findungsphase markieren sollte, gekippt. Wenn Ihre bisherigen Aussagen, dass Sie ja im Grunde gar nicht gegen einen 2. Nationalpark im Kreis seien, aber dass man ja so schrecklich wenig Zeit habe, nicht nur Lippenbekenntnisse waren, müssten Sie eigentlich einem Antrag applaudieren, der die geplante Entscheidung am 15.03.2024 über einen Nationalpark noch einmal aufschiebt.

Der Appell gilt natürlich auch allen anderen Unentschlossenen: Lassen Sie uns die Zeit nutzen um verantwortungsvoll haltbare Argumente des Für und Widers zu finden und in einen offenen, ehrlichen und respektvollen Diskurs ohne konspirative Treffen und Klüngeleien gehen!

Wenn meine Fraktion sich etwas wünschen dürfte, dann wäre das die Bitte an die Verwaltungsspitze mehr Demut vor den komplexen Fragen zu zeigen, und mit Respekt anzuerkennen, dass man selbst selten die Weisheit mit Löffeln gefressen hat. Kooperieren und informieren Sie frühzeitiger und umfassender, vor allen Dingen unvoreingenommen und mindestens ausreichend.

Die Aufstellung des Kreishaushaltes für 2024 hatte und hat es in sich:

Vom Bund, und in der Folge auch vom Land -mit immer mehr Pflichtaufgaben auf der einen, und Zuschusskürzungen auf der anderen Seite- in die Zange genommen. Die eigenen Ansprüche manchmal ohne Not höher schraubend, liefen die Rechenschieber der Kämmerer in den Kommunen und des Kreises regelrecht heiß. Die Kritik der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der kreisangehörigen Kommunen am Kreiskämmerer war noch schärfer als sonst, Polemik war noch häufiger anzutreffen als zuvor. Der Kreis habe viel zu viel freiwillige Leistungen, kalkuliere seine Budgets zu üppig und säße im Übrigen auf einer ganzen Menge Erspartem. Und das alles aus Mitteln der Städte und Gemeinden im Kreis Siegen-Wittgenstein. Die Ergebnisverbesserungen sind -anders als gerne dargestellt- natürlich nicht geplant und werden zur Finanzierung der Folgehaushalte eingesetzt. Darüber hinaus wiegen die Ergebnisverbesserungen der kreisangehörigen Kommunen 4x schwerer. Natürlich auch nicht geplant. Tatsächlich belief sich das Volumen der freiwilligen Leistungen in 2023 auf etwas über 18,7 Mio. Euro. Das sind ca. 3,5% vom Gesamthaushalt. Aus diesen freiwilligen 3,5% haben wir in einem interfraktionellen Bündnis tatsächlich 2 Mio. Euro Sparpotential identifiziert. Das sind über 10%!
Darüber hinaus
haben wir erreicht, den in der Vergangenheit wie selbstverständlich erachteten Personalzuwachs zu limitieren und fordern die in der Verwaltung Verantwortlichen ausdrücklich auf, effizientere und schlankere Abläufe zu schaffen. Dies gilt unseres Erachtens auch für das Jugendamt, das zu den teuersten im Land gehört, obwohl wir im Kreis keinen deutlichen sozialen Brennpunkt haben und im Vergleich mit anderen, ebenso ländlich geprägten Kreisen, sehr stabil unterwegs sind. In den angestoßenen strukturellen Veränderungen nehmen wir aber auch die kreisangehörigen Kommunen in die Pflicht:
Es wird Leistungsbereiche geben, deren Angebote jetzt und in den nächsten Jahren abgeschmolzen werden, sofern der Kreistag bei dem heute eingeschlagenen Weg bleibt. Ob damit auch die Kreisumlagen stabil auf dem diesjährigen Niveau bleiben, kann ich natürlich nicht voraussehen. Dazu sind zu viele äußere Parameter entscheidend.
Eine Prognose wage ich aber trotzdem: Es wird in den nächsten Jahren für die kommunalen Haushalte nicht leichter werden.

Hier kann vielleicht endlich die viel beschworene kommunale Familie echten Familiensinn beweisen und kommunalgleiche Fragestellungen interkommunal angehen. Ich denke da zum Beispiel an die seit Anfang 2024 verpflichtende Wärmeleitplanung in Verbindung mit den im Kreisgebiet pilzartig wachsenden Anlagen für erneuerbare Energien. Unser Projekt „GBEB“ werden wir in 2024 wieder aufs Tableau bringen.
Der Siegerlandflughafen -den muss ich zum Schluss noch erwähnen- scheint ja tatsächlich auf dem besten Weg zu sein, sich aus tiefroten Farbtönen in etwas zärtlich-rote Defizite zu bewegen. Wenn es auf dem Gelände des Flughafens in 2024 dann noch gelänge, mit erwähnenswerten PV- Modulleistungen aufzuwarten, könnte ich mir sogar vorstellen von einer jährlichen Erwähnung der Sinnlosigkeit dieser Anlage Abstand zu nehmen.

Und vielleicht gelingt es mir in naher Zukunft zwei Siegen-Wittgensteiner Mysterien zu ergründen: Zunächst die Identifizierung des Kofferraum-Bibers und in der Folge dann die Sichtung der Landrat’schen 15Mio.-Wolke. Wer weiß…

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!



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