Sehr geehrter Herr Landrat Müller,
die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen bittet um Beantwortung folgender Fragen zur Neufassung der ordnungsbehördlichen Verordnung des Kreises Siegen-Wittgenstein zum Schutze von Naturdenkmalen und geschützten Landschaftsbestandteilen innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereiches der Bebauungspläne:
- Sie weisen in V 310/2020 darauf hin, dass keine diesbezügliche Rechtsverpflichtung des Kreises zur Aufstellung von Verordnungen zum Schutze von Naturdenkmalen und geschützten Landschaftsbestandteilen innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile und des Geltungsbereiches der Bebauungspläne bestehe.
Wir sind in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass zwischen Verwaltung und Politik, sowie auch mit den Kommunen und insbesondere mit den Bürger*innen des Kreises, absoluter Konsens darüber besteht, dass die Ausweisung, der Schutz und die Pflege von Naturdenkmalen im bisherigen Umfang als sinnvoll und wünschenswert erachtet wird. - Teilen Sie diese Auffassung auch heute noch?
- In welcher Form und mit welchen Fristen wurden oder werden die kreisangehörigen Kommunen beteiligt?
- Liegen bereits Stellungnahmen aus den Kommunen vor? Sind die Kommunen mit der Änderung der Kriterien und der Entlassung so vieler Naturdenkmale aus dem Schutz einverstanden?
- Wurden die Eigentümer*innen beteiligt und wie haben diese sich geäußert?
- Seit Erlass der letzten Naturdenkmal-VO hat sich auf Grund des Klimawandels der Allgemeinzustand der Bäume (nicht nur im Wald) verschlechtert und die Probleme beim Artenschutz erheblich verstärkt.
Gerade alte Bäume im Innenbereich besitzen aber große Bedeutung für den Naturhaushalt. Etliche bedrohte Vogel- und Käferarten sind auf die betagten Naturdenkmale als Lebensraum angewiesen. Hohle alte Bäume sind aber auch z.B. als Quartier für den kleinen und großen Abendsegler unersetzlich.
Darüber hinaus tragen die alten Bäume gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels einen unersetzlichen Beitrag zur Sauerstoffversorgung und zum Temperaturausgleich. Um einen 100-ährigen Baum zu ersetzen, müssten etwa 2.000 junge Bäume mit einem Kronenvolumen von 1m3 gepflanzt werden.
Die alten Bäume sind also faktisch unersetzlich. Auch wenn die Naturdenkmalverordnung nicht aus Klimaschutzgründen erlassen wurde oder wird, fragen wir Sie: - Ist vor dem Hintergrund des Artensterbens und des Klimawandels eine bewusste Änderung der Naturschutzverordnung, durch die rund die Hälfte der Bäume ihren Schutzstatus verlieren würde, nicht völlig kontraproduktiv?
- Sie schreiben in der Vorlage 310/2020: „Dem Kreis obliegt für die ausgewiesenen Objekte die Verkehrssicherungspflicht. Damit verbunden ist die fortlaufende Überwachung, Sanierung und Pflege, für die im Durchschnitt jährlich gut 30 % einer Vollzeitstelle aufzuwenden sind. Sanierungskosten belaufen sich jährlich auf ca. 30.000 €.
Vor dem Hintergrund, dass es faktisch 250.000 € kosten würde, einen 100-jährigen Baum in seinen Naturfunktionen zu ersetzen und praktisch ein entsprechendes Ortsbild nach der Entfernung eine solchen Baumes überhaupt nicht wiederherzustellen wäre, fragen wir: - Betrachten sie die Kosten und den Personalaufwand, der im Zusammenhang mit der Pflege der Naturdenkmale entsteht als zu hoch?
- Schon mit der Neufassung der noch gültigen ND/LB-Verordnung im Innenbereich (1999/2000) erfolgte der Versuch, 149 von 339 damals noch geschützten Objekten aus der Verordnung zu streichen. Das stieß damals auf heftigen Widerstand, auch aus den kreisangehörigen Kommunen, woraufhin der Entwurf überarbeitet wurde.
- Wie kann es sein, dass die Naturdenkmäler heute nach weiteren 20 Jahren nun Aufgrund geringer Größe oder untergeordneter Ortsbildprägung nicht mehr schützenswert sind?
- Liegt es ausschließlich an den in der VO formulierten „neuen Kriterien“?
- Wenn ja, wäre es möglich diese so zu formulieren, dass der Schutzstatus der ND durchaus erhalten werden könnte, sofern sie verkehrssicher sind?
- Sie schreiben in V7310/2020, dass nach dem Inkrafttreten der Naturdenkmal-VO im Jahr 2001 maßgebliche Grundlagen vielfältige Novellierungen erfahren hätten. „Hier sind primär das Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) und das Gesetz zum Schutz der Natur in Nordrhein-Westfalen (Landesnaturschutzgesetz – LNatSchG NRW) zu nennen, aber auch aus der Rechtsprechung haben sich inzwischen Hinweise ergeben.“
Wir haben diese „maßgeblichen Grundlagen“ geprüft und haben keine zwingenden Gründe dafür gefunden, fast die Hälfte der Naturdenkmale aus dem Schutz zu entlassen. - Welche konkreten Änderungen im BNatSchG oder im LNatSchG NRW erfordern zwangsweise die geplanten Veränderungen der ND-Verordnung in Siegen-Wittgenstein?
- In einer Anlage zum damaligen, ersten Entwurf der ND-VO, die dann so nicht umgesetzt wurde, schrieb die Verwaltung im Jahr 2000:
Davon abgesehen, dass wir nicht davon ausgehen, dass der Schutz durch die Naturdenkmalverordnung und die Pflege durch den Kreis durch eine kommunale Baumschutzsatzung gleichwertig ersetzt werden könnte, fragen wir: - Sehen Sie auch heute noch die Kommunen in der Verantwortung den historischen Baumbestand bzw. die Naturdenkmale durch entsprechende Baumschutzsatzungen zu schützen?
- Wenn ja, wurde dies gegebenenfalls mal auf einer Ortsbehördenkonferenz mit den Bürgermeister*innen so erörtert?
- Wenn ja, hätten die Kommunen dann nicht eine Vorlaufzeit von gut zwei Jahren gebraucht, um entsprechende eigene Schutzsatzungen auf den Weg zu bringen, um zu vermeiden, dass heutige Naturdenkmale nach dem Wegfall des Schutzstatus gefällt werden?
- Besteht die Möglichkeit, notfalls die aktuelle Naturdenkmalverordnung zu verlängern, um den Kommunen die Möglichkeit zu geben tätig zu werden, bevor die Bäume ihren Schutzstatus verlieren?
Diese Naturdenkmale sollen aus dem Denkmalschutz entlassen werden. Begründung: "schlecht einsehbar und ohne Wirkung auf das Ortsbild". Die Bäume inmitten des alten Ortskern prägen diesen so sehr, dass sie unübersehbar und vermutlich selbst aus dem All noch wahrnehmbar sind. Sie stehen z.Teil direkt neben der Straße und die Baumkronen überspannen diese. Noch wahrnehmbarer könnten sie höchstens sein, wenn sie mitten auf der Fahrbahn stehen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Christiane Berlin i. A. Anke Hoppe-Hoffmann
Fraktionssprecherin Fraktionsgeschäftsführerin
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