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Prüfung der Errichtung einer Trockenfermentationssanlage

Antrag zur Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Land- und Forstwirtschaft am 06.12.2012 und zur Sitzung des Kreistages am 14.12.2012:


Sehr geehrter Herr Landrat Breuer,

wir bitten Sie folgenden Antrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen in die Tagesordnung des Ausschusses für Umwelt, Land- und Forstwirtschaft am 6. Dezember  und des Kreistages am 14.12.2012 aufzunehmen:

Beschlussvorschlag:

Der Fachausschuss empfiehlt, der Kreistag beschließt:

  1. die Verwaltung wird beauftragt, die Einrichtung einer Trockenfermentationssanlage zur Erzeugung von Biogas aus dem kommunal anfallenden Bioabfall hinsichtlich

-      Wirtschaftlichkeit

-      Synergieeffekte Deponiegasverstromung und Deponie-Infrastruktur

-      potentielle Abnehmer der thermischen Energie

-      Förderfähigkeit

-      Transportwegebilanz mit Vergleich des Iststands

-      Öko-Bilanz

-      elektrischer und thermischer Energiepotenziale

-      Mengengerüste an verwertbaren biogenen Rohstoffen

zu prüfen und ein Konzept zu erarbeiten, welches im Kreistag bis spätestens Ende 2013 vorzustellen ist.

  1. Weiterhin wird die Verwaltung beauftragt, den bestehenden Vertrag zur Entsorgung des anfallenden kommunalen Bioabfalls dahingehend zu prüfen, ob vor der Übergabe an den Entsorger eine Verwendung des Abfalls in einer Trockenfermentationsanlage möglich ist oder ob dazu ein neuer Vertrag geschlossen werden muss.

01 Begründung:

Der Klimawandel ist nicht mehr zu übersehen. Es ist wissenschaftlich unstrittig, dass der     Mensch für die extrem schnelle Änderung des Treibhausgasgehalts in der Atmosphäre verantwortlich ist. Daraus resultiert eine Erwärmung der globalen Mitteltemperatur, die sich lokal differenziert auswirken wird. So geht die große Gefahr für Mitteleuropa weniger durch den Temperaturanstieg an sich als eher durch den immensen Energiezuwachs im globalen Klimasystem aus. Dieser Energiezuwachs führt verstärkt zu Extremwetterereignissen wie Starkregen, Trockenperioden oder Stürmen. Damit einher gehen gewaltige privat- wie volkswirtschaftliche Schäden. Ein für die Region prägendes Beispiel für ein solches Wetterextrem ist Kyrill, dessen Spuren noch immer sichtbar sind.

Die Menschen der Industrienationen müssen der Verantwortung, die sie in Zeiten der Industrialisierung und dem damit einhergehenden immensen Verbrauch fossiler Energieträger auf sich geladen haben, jetzt und in Zukunft gerecht werden. Ein Weiter so darf es nicht geben.

Stattdessen muss ein Umdenken und kritisches Hinterfragen der Lebensweise stattfinden.

Auch der Kreis Siegen-Wittgenstein steht in dieser Verantwortung. Er ist nicht zuletzt seinen Einwohnern gegenüber verpflichtet, die negativen Auswirkungen des Klimawandels auf Umwelt und Einwohner so gering wie möglich zu halten. Vor diesem Hintergrund ist es umso erfreulicher, wenn der Kreis mit Maßnahmen zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen auch noch regionale Wertschöpfung betreiben und Arbeitsplätze in der Region sichern kann.

Eine Trockenfermentationsanlage ist eine Technologie[1], die Biogas aus biogenen Reststoffen gewinnen kann. Mit diesem Biogas kann elektrische sowie thermische Energie erzeugen werden. Da es sich hierbei um nachwachsende Rohstoffe handelt, wird kein CO2 aus fossilen Quellen freigesetzt, sondern lediglich die Menge, die während des Pflanzenwachstums aus der Atmosphäre aufgenommen wurde. Die Anlage ist somit nahezu klimaneutral. Auch besteht auf Grund der Art der verwendeten Biomasse die in letzter Zeit oftmals thematisierte Problematik des Dilemmas „Tank vs. Teller“[2]nicht.

Durch die zwei im Kreisgebiet vorhandenen ehemaligen Abfalldeponien sind bei der Errichtung diverse Synergieeffekte möglich, die die Wirtschaftlichkeitsberechnung beeinflussen können. Hier seien exemplarisch nur das Vorhandensein der Infrastruktur zur Verstromung von Gas sowie die personelle Ausstattung genannt. Weitere Möglichkeiten, vorhandene Infrastruktur mit zu nutzen, sind in der detaillierteren Beschreibung enthalten.

Da sich durch die Verwertung des Abfalls die Masseströme verändern, muss im Zuge der Konzepterstellung auch die vertragliche Situation mit dem Entsorger geprüft werden.

 

0.2  Detaillierte Beschreibung

Im Folgenden werden die in der Begründung angeführten Aspekte detaillierter ausgeführt und konkret auf die Situation im Kreis Siegen-Wittgenstein bezogen.

0.2.1 Vertragliche Situation

Der Kreis Siegen-Wittgenstein hat in seiner Funktion als öffentlich-rechtlichem Entsorgungsträger des kommunalen Bioabfalls einen Vertrag zur Entsorgung des kommunalen Bioabfalls mit dem Olper Entsorgungszentrum GmbH & Co. KG geschlossen. Dieser Vertrag hat eine Laufzeit bis zum 31.12.2017 und verlängert sich um weitere 5 Jahre, wenn er nicht bis zum 31.12.2014 gekündigt wird. Daher ist eine Inbetriebnahme einer Trockenfermentationsanlage, die das Mengengefüge der zu entsorgenden Biomasse verändert, nicht vor dem 01.01.2018 erstrebenswert. Sollte jedoch der Betrieb einer Trockenfermentationsanlage mit dem bestehenden vertraglich Regelungen vereinbar sein, ist die Inbetriebnahme der Anlage nicht an die Vertragslaufzeit gekoppelt und kann somit gegebenenfalls bereits vor dem 01.01.2018 erfolgen.

0.2.2 Bioabfallaufkommen in der Region

Das jährliche Aufkommen von Bioabfall im Kreis Siegen-Wittgenstein beläuft sich auf 29.000 Mg bis 31.000 Mg pro Jahr[3]. Diese Gesamtmenge wird an zwei Umladestationen von den Sammelfahrzeugen angeliefert. Diese Umladestationen sind die ehemalige Abfalldeponie Winterbach in Netphen-Herzhausen sowie die Abfalldeponie Fludersbach in Siegen. An den Umladestationen kippen die Sammelfahrzeuge den Bioabfall ab. Er wird dann durch den Kreis in Sammelbehälter des Entsorgers Olper Entsorgungszentrum GmbH & Co. KG umgeladen. Diese Sammelbehälter werden anschließend vom Entsorger oder durch von diesem beauftragte Dritte abgeholt.

0.2.3 Trockenfermentation im Detail

Bei der Trockenfermentation handelt es sich um ein Fermentationsverfahren von Biomasse mit einem Feuchtegehalt von bis zu 70%. Anders als bei der bekannteren Nassfermentation, in der ein flüssiger Biomassebrei in großen Fermentern unter ständigem Rühren zu Biogas vergoren wird, erfolgt die Fermentation im Falle der Trockenfermentation in garagenähnlichen Fermentern oder großen Fermentersilos. Dort wird die Biomasse aufgehäuft und über Mehrere Wochen hinweg mit einem Perkolat berieselt. Zusätzlich kann die Biomasse auch vor der Einbringung in den Fermenter angemaischt werden. Der im Falle von Garagenfermentern zyklische Betrieb (im Gegensatz zum kontinuierlichen Betrieb bei der Nassvergätung mit pumpfäigen Substraten oder der Trockenvergärung im Silo) wird Batchbetrieb genannt[4]. Im Anschluss an die Fermentation wird die Biomasse wieder aus dem Fermenter entfernt und der weiteren Verwendung als Dünger oder der Entsorgung durch Kompostierung o.ä. zugeführt.

Das Verfahren ist darauf ausgelegt, auch Biomasse zur Gasgewinnung zu verwenden, welche in Verfahren der Nassvergärung nicht verwendbar ist. Dazu gehört neben Bioabfall beispielsweise auch Mist aus der Tierhaltung, Grasschnitt oder Landschaftspflegematerial.

Anlagenaufbau   Eine Anlage zur Trockenfermentation besteht im Regelfall aus einem oder mehreren Garagenfermentern. Diese sind in Höhe und Breite so ausgelegt, dass sie mit einem Radlader befüllt werden können. Die Länge hängt unter anderem von der Menge der umzusetzenden Biomasse ab. Typische Größen sind 20-40m. Es sind aber auch Anlagen mit kontinuierlicher Beschickung des Fermenters möglich[5].

Die Biomasse in den Fermentern wird mit einem Perkolat berieselt. Dieses enthält Mikroorganismen, die eine anaerobe Vergärung der Biomasse bewirken. Das dabei entstehende Gas wird aufgefangen und in einem Gasspeicher gepuffert. Da die Fermenter luftdicht verschlossen sind, entstehen durch die Fermentation keine Geruchsemissionen.

Aus dem Gasspeicher wird anschließend ein Blockheizkraftwerk oder ein Gasmotor versorgt, wodurch elektrische und thermische Energie gewonnen werden.

Betriebsprozesse    Je nach Anlagentyp sind nur wenige manuelle Arbeitsschritte notwendig. Moderne Anlagen werden vollautomatisch geregelt, sodass lediglich die Befüllung der Fermenter manuell erfolgen muss. Der Aufwand hierfür variiert je nach Art, Anzahl und Größe der Fermenter. Außerdem ist ein Monitoring der Anlage durch geschultes Fachpersonal erforderlich.

0.2.4 Rahmenbedingungen

Im Kreis Siegen-Wittgenstein bestehen Strukturen, die die Entstehung einer Trockenfermentationsanlage auf der grünen Wiese überflüssig machen. Durch die Abfalldeponien und die dort noch durchgeführten Tätigkeiten ergeben sich Synergien, die im folgenden ausgeführt werden.

Nutzung der Infrastruktur   Sowohl am Standort Fludersbach als auch am Standort Winterbach wird seit Jahren das anfallende Deponiegas gesammelt und anschließend verstromt. Die Erzeugung von Deponiegas im Deponiekörper nimmt dabei kontinuierlich ab[6]. Beide Deponien haben mittlerweile das Maximum der Deponiegaserzeugung überschritten, sodass nun mit zunehmendem Alter des Deponiekörpers die Gaserzeugung kontinuierlich zurückgeht. Aus diesem Grund kann die Infrastruktur zur Verstromung mittelfristig nicht mehr weiter verwendet werden. Bereits jetzt liegen Teile der Infrastruktur brach oder werden demontiert und verkauft.

Durch die bestehende Infrastruktur entsteht ein Synergieeffekt zu einer Trockenfermentationsanlage, da diese die Infrastruktur auch über den Zeitraum der Erzeugung von Deponiegas hinaus nutzen kann.

Personal und Gerät    Ein weiterer Synergieeffekt ergibt sich daraus, dass an beiden Standorten sowohl das Personal sowie die Gerätschaften (Radlader) zur Umladung der Abfälle (dabei handelt es sich um genau die für die Befüllung der Fermenter benötigten Infrastruktur) als auch das Personal zur Überwachung der Anlagentechnik vorhanden ist.

Mengenreduktion    Finanzielle Einspareffekte lassen sich auch aus der Mengenreduktion des Bioabfalls realisieren. Nach Ablauf der Fermentation müssen nur noch bis zu 80% der ursprünglich eingesetzten Biomasse entsorgt werden. Damit lässt sich die Entsorgung des biogenen Abfalls und damit auch die Kosten dieser Entsorgung um rund 20% reduzieren.

 

Mit freundlichen Grüßen

gez. Helga Rock                gez. Peter Vitt                                            i.A. Anke Hoppe-Hoffmann
Fraktionssprecherin           Sachkundiger Bürger im Ausschuss für            Fraktionsgeschäftsführerin
                                      Umwelt, Land- und Forstwirtschaft

 

[1] Siehe auch Kapitel Kapitel 0.2.3

[2] E10 oder die Verwendung von Maissilage als Gärsubstrat

[3] vgl. Abfallwirtschaftskonzept des Kreises Siegen-Wittgenstein, Fortschreibung 2012-2016, Anlage zur Drucksache 62/2012

[4]

vgl. de.wikipedia.org/w/index.php

 

[5]

vgl. www.uni-stuttgart.de/takag/download_TAKAG/Vergaerungsbroschuere2006_optimiert.

pdf, gesichtet am 22.10.2012

 

[6] vgl. Der Deponiegashaushalt in Altablagerungen - Leitfaden Deponiegas -, gesichtet am 21.10.2012

(http://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/16851/deponiegashaushalt.pdf?command=

downloadContent&filename=deponiegashaushalt.pdf)

 

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