BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

KT-Fraktion Siegen-Wittgenstein

Keine Reptilienbörsen und Ausstellungen lebender Wildtiere in kreiseigenen Gebäuden

Sehr geehrter Herr Landrat Müller,

die Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN bittet Sie folgenden Antrag in die Tagesordnung des Ausschusses für Umwelt-, Land- und Forstwirtschaft, des Kreisausschusses und des Kreistages aufzunehmen:

Beschlussvorschlag:
Die Kreisverwaltung Siegen-Wittgenstein wird beauftragt, kreiseigene Gebäude für die Ausrichtung von sog. Reptilienbörsen und Ausstellungen lebender Wildtiere nicht mehr zur Verfügung zu stellen und darauf hinzuwirken, dass im Kreisgebiet auch keine „Börsen“ dieser Art mehr stattfinden.

Begründung:
Am 09.09.2009 hat der Rat der Stadt Siegen einstimmig beschlossen, dass in städtischen Einrichtungen und Gebäuden aus Gründen des Tierschutzes Präsentationen (Ausstellungen, Märkte, Börsen etc.) von exotischen Tieren, insbesondere Reptilien, Amphibien und Spinnentieren, zukünftig nicht mehr stattfinden. Bestehende Widmungen öffentlicher Einrichtungen wurden entsprechend eingeschränkt.

Festzustellen ist allerdings, dass die Aussteller in nicht städtische Gebäude ausweichen, darunter auch Gebäude im Kreiseigentum. Wir möchten dafür werben die Stadt Siegen bei ihren Tierschutzbemühungen zu unterstützen und ihrem Beispiel zu folgen.

Laut Bundesamt für Naturschutz (BfN) steigen die Importzahlen exotischer Tiere rasant an. In den letzten Jahren wurde bei der Einfuhr von Reptilien eine Steigerung von über 45 Prozent registriert, die nicht zu unterschätzende Dunkelziffer auf Grund illegaler Importe solcher Tiere nicht mitgerechnet, denn durch die europäische Osterweiterung hat sich ein enormer illegaler Tierhandel entwickelt.

Das Schicksal der für den Zoohandel oder für Tierbörsen gefangenen oder in Massenzuchtanlagen gezüchteten Tiere sieht so aus: Die Tiere kommen als Massenware zu Hunderttausenden jedes Jahr z.B. aus Mittelamerika zu uns, nur um in einem Terrarium eingesperrt, den Rest ihres Lebens in Gefangenschaft zu verbringen. Auch in Tschechien oder Polen tummeln sich Züchter, die nur eines wollen: In Deutschland auf Tierbörsen Geld mit der Ware Tier zu verdienen. Immer ausgefallener, exotischer, gefährlicher, giftiger sollen die Tiere sein. Die Tierschutzorganisationen laufen mittlerweile Sturm gegen die Einfuhr und die Massennachzuchten der Tiere im Lande: „Die Halter solcher Tiere reden von Tierliebe und verursachen Tierleid. Jeder Tierhalter unterstützt den skrupellosen Handel dieser hochempfindlichen Lebewesen, die ggf. auch noch per Post offiziell verschickt werden dürfen. Viele Reptilien überleben die Strapazen nicht“(Carola Schmitt, PETA Deutschland e.V.).

Deutschland gehört inzwischen zu den größten Absatzmärkten für Wildtiere. Auch die Gefahren, die von ausgesetzten oder entlaufenen, teils sehr giftigen Tieren ausgehen, nehmen rapide zu und Giftnotzentralen schlagen mittlerweile Alarm. Hessen hat als erstes Bundesland reagiert und im Oktober 2007 ein Gesetz erlassen, das die Haltung gefährlicher exotischer Tiere verbietet.
Der Handel läuft inzwischen nicht mehr über spezialisierte Zoofachgeschäfte, sondern über die in den Städten abgehaltenen Reptilienbörsen. Auch in Siegen werden z.B. regelmäßig Reptilienbörsen oder Spinnenausstellungen abgehalten.

Die sog. fachkundigen „Liebhaber“ sowie unerfahrene Neulinge decken sich auf diesen Reptilienbörsen mit Schlangen, Skorpionen, Schildkröten, Echsen, Spinnen, Chamäleons, Fröschen, Salamandern und anderen „Terrarientieren“ ein – viele Arten sind zu Spottpreisen zu erwerben. Preise, die so manche Käufer, die zwar keine Ahnung von den betreffenden Tieren haben, “so was“ aber ganz chic finden, geradezu herausfordern, sich „mal eben“ unüberlegt Schlange und Co anzuschaffen. 10 Euro für eine Schlange, fünf Euro für einen Frosch, für 15 Euro gibt es eine Schildkröte - und noch den guten Rat vom Händler dazu: „da können Sie nix falsch machen“.

Leben und Sterben in deutschen Wohnzimmern: der unbedarfte Neu-Terrarianer ist allzu oft mangels grundlegender Kenntnisse nicht in der Lage, sein Tier so zu halten, dass es überlebt. Die traurige Konsequenz: ein langes und stilles Sterben der Reptilien und anderen Exoten. 75% der Tiere sterben. Die Tiere, die überleben, werden oft z.B. durch ihr enormes Wachstum zur ungeahnten Last, in der Folge häufen sich die Meldungen über herrenlos aufgegriffene Riesenschlangen, die von ihren überforderten Besitzern in freier Wildbahn entsorgt wurden. Nicht nur vergleichsweise harmlose Tiere landen so in der Freiheit: von Schnappschildkröte über Kaiman und Giftschlange bis zum hochgiftigen Skorpion tummelt sich so einiges auf den Straßen – meist unentdeckt.

Die Unterbringung der meisten Tiere ist ähnlich der eines Schnitzels in der Supermarkt-Selbstbedienungstheke und bietet keine Bewegungs- und Rückzugsmöglichkeiten. Auf den Exoten-Verkaufsveranstaltungen sollen Börsenrichtlinien den Verlauf regeln und ein Minimum an Tierschutz gewährleisten. Die Richtlinien des Bundesministeriums zur Durchführung von Tierbörsen jedoch sind nicht verbindlich und bilden somit keine von den Veterinärbehörden durchsetzbare Rechtsgrundlage. Die Reptilienbörsen finden nach den Richtlinien der Veranstalter statt – mehr oder weniger streng in die Tat umgesetzt.

Da der Trend zu immer exotischeren Tieren abzusehen und „Einsicht“ von Seiten von Händlern und Käufern kaum zu erwarten ist, müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden: angefangen von Sachkundenachweisen und behördlichen Genehmigungen zum Halten von Exoten, ein sofortiger Stopp der Einfuhr und des Handels von Wildfängen und sogenannten Farm- und Ranchtieren (angebliche „Nachzuchten“ aus den Herkunftsländern, die im Grunde nichts anderes als Wildfänge sind), ein sofortiges und generelles Verbot zumindest der Haltung von schwierigen, großwüchsigen und/oder gefährlichen Exoten bis hin zu dringend notwendigen rechtsverbindlichen Börsenregeln bzw. noch besser - verboten.
Im Grundgesetz ist der Tierschutz als Staatsschutzziel verankert. Die Landesregierung NRW hat die Probleme mit den Reptilienbörsen erkannt und auf eine Kleine Anfrage (Drucksache 14/80, 2005) geantwortet: „Problematisch ist meist der Bereich der Haltung von nicht artgeschützten exotischen Tieren. Hier sind häufig unzureichende Sachkenntnis der Halter und schlechte Unterbringung und Pflege der Tiere anzutreffen. Da die Nachfrage in diesem Bereich angestiegen ist (dies zeigt sich u.a. an der steigenden Anzahl sogenannter Tierbörsen), hat sich auch der Handel darauf eingestellt und sein Angebot entsprechend erweitert. Insgesamt beurteilt die Landesregierung die Problematik des Handels mit und der Haltung von exotischen Tieren als kritisch.“
Wer die Reptilienbörse besucht hat, konnte dieses „mittelalterliche Treiben“ beobachten: Wildtiere in winzigen Styroporboxen, Ratten und Mäuse wie Äpfel am Markt als Futterware abgewogen.
Vor diesem Hintergrund bittet die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen um Zustimmung, dass die kreiseigenen Gebäude für derartige Veranstaltungen grundsätzlich nicht mehr zur Verfügung gestellt werden.

Mit freundlichen Grüßen
Simon Rock, Fraktionssprecher und  i.A. Anke Hoppe-Hoffmann, Fraktionsgeschäftsführerin

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