Sehr geehrter Herr Landrat Müller,
die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen bittet Sie folgenden Antrag in die Tagesordnung des Ausschusses für Umwelt- Land- und Forstwirtschaft am 24.06.2019 und zur Sitzung des Kreis-tages am 05.07.2019 aufzunehmen:
„Insekten- und Artenschutz in Siegen-Wittgenstein“
Der Kreistag möge folgende Maßnahmen beschließen:
- Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen, die für bestehende Naturschutzgebiete, Biotopflächen und Landschaftspläne bereits erarbeitet wurden, werden zeitnah umgesetzt.
- Für die Umsetzung von fachgerechten Insektenschutzmaßnahmen wird eine weitere Personalstelle in der UNB eingerichtet und jährlich ein angemessenes Haushaltsbudget zur Verfügung gestellt.
- Die Umsetzung der bereits mit dem Regionalen Entwicklungskonzept beschlosse-nen Natur- und Insektenfreundlichen Wegerandbewirtschaftung. „Erarbeitung eines Konzept zur ökologischen Wegerandbewirtschaftung“.
- Eine deutliche jährliche Erhöhung des Anteils der Flächen im Kulturlandschaftsprogramm.
- Die Verwaltung unterrichtet die politischen Gremien regelmäßig über den Fortgang der hier beantragten Maßnahmen.
Einleitende Bemerkungen:
Bienen-, Wildbienen- und Insektenschutz ist ein Thema, dem zurzeit viel mediale Aufmerksamkeit zu Teil wird. Sowohl Kommunen als auch viele Privatpersonen versuchen Maßnah-men zu ergreifen, um dem „Insektensterben“ entgegen zu wirken. Dabei ist festzustellen, dass ergriffene Maßnahmen einerseits nicht immer im Interesse des Insektenschutzes sind, andererseits, dass diese Maßnahmen oft nicht in der Lage sind, speziell die geschützten, und auch in Siegen-Wittgenstein bedrohten Arten zu unterstützen.
So ist es zwar gelungen, über die „Honigbiene“ als Sympathieträgerin ein öffentliches Bewusstsein für das Insektensterben insgesamt zu schaffen, obwohl diese weitaus weniger vom Verlust ihrer Lebensräume und Nahrungsgrundlagen betroffen ist, wie viele Hummel-, Wildbienen- und Falterarten.
In der öffentlichen Wahrnehmung bevorzugte Maßnahme, ist die Anlage von bunten Blühflächen oder Blühstreifen, die, sofern nektar- und pollenreich, zwar der Honigbiene Nahrung bieten, die bei uns gefährdeten Insekten aber kaum unterstützen. Bedenklich wird dies insbesondere dann, wenn für diese Blühflächen keine intensiv genutzte Landwirtschaftliche Fläche oder Zierrasen umgewandelt wird, sondern Flächen, die eine „noch“ artenreiche heimische Pflanzen und Tiervielfalt beherbergen. Bedenklich können ebenso Saatgutmischungen sein, die nicht ausschließlich heimische, bzw. regionaltypische Pflanzen enthalten. Oft genug verschwinden solche Blühstreifen aufgrund der Saatgutauswahl auch in kürzester Zeit wieder, sind also nicht nachhaltig.
Bei einigen Flächen ist auch ausgesprochenes „Nichtstun“ eine hervorragende, kostensparende und zu bevorzugende Maßnahme.
Auch wenn dem Arten- und Insektensterben, dass insbesondere durch intensive landwirtschaftliche Nutzung, Pflanzenschutzmittel, Flächenverlust durch Bebauung, Lichtverschmutzung etc. verursacht wird, grundsätzlich nur mit einer Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik und einem vermindertem Flächenverbrauch wirksam begegnet werden kann, gibt es definitiv regional sinnvolle Maßnahmen.
Etliche davon sind im Prinzip schon erkannt, definiert und fachlich geplant, teilweise sogar gesetzlich vorgeschrieben. Die Umsetzung scheiterte allerdings bislang am nachhaltigen Willen der politisch Verantwortlichen, bzw. an einer ausreichenden Personal- und Finanzausstattung.
Vor diesem Hintergrund bitten wir zu beschließen:
- Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen, die für bestehende Naturschutzgebiete, Biotopflächen und Landschaftspläne bereits erarbeitet wurden, werden jetzt endlich zeitnah umgesetzt. Begründung:
Die bislang nur unzureichend umgesetzten Maßnahmen dienen nicht nur, aber auch dem Insektenschutz. Maßnahmen zum Schutz von Bodenbrütern oder Amphibien betreffen das gleiche Habitat, wie das der Insekten, wurden aber bislang nicht in Angriff genommen. Der Kreis ist zwar für die Umsetzung von naturschutzfachlichen Maßnahmen, z.B. in EU-Vogelschutz- oder FFH-Gebieten gesetzlich verpflichtet, kommt dieser Verpflichtung aber bislang nur unzureichend nach. Darüber hinaus existieren ausgearbeitete Maßnahmen für Habitate seltener Schmetterlingsarten wie Skabiosen-Scheckenfalter, Dunkler und Heller Wiesenknopf-Ameisenbläuling und Blauschillernder Feuerfalter, für die wir im Kreis Siegen-Wittgenstein als einem der letzten Vorkommensorte eine besondere Verantwortung haben. - Für die Umsetzung von fachgerechten Insektenschutzmaßnahmen wird eine weitere Personalstelle in der UNB eingerichtet und jährlich ein angemessenes Haushaltsbudget zur Verfügung gestellt.
Begründung:
Wenn zusätzliche Insektenschutz-Maßnahmen in Abstimmung mit der UNB und der Biologischen Station als sinnvoll erkannt sind und umgesetzt werden sollen, dann sollten auch zusätzliche finanzielle Mittel für diese Maßnahmen und für zusätzliches Personal bereitgestellt werden. Ausschließlich Mittel aus dem Budget für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen umzuwidmen, die bereits für Naturschutzmaßnahmen (als Ausgleich für Eingriffe) zur Verfügung stehen, würde ebenfalls notwendigen Maßnahmen die Möglichkeit zur Umsetzung entziehen. Die Ersatzgelder sind bereits jetzt in vollem Umfang für die fachgerechte Verwendung durch UNB und Biologische Station Siegen-Wittgenstein vorgesehen. Jede fachgerechte Naturschutzmaßnahme an Flächen (also mit Ausnahme von Vogel- oder Fledermausnistkästen oder Amphibientunneln) ist automatisch auch eine zum Insektenschutz. Wenn bereits bestehende Möglichkeiten oder Zweckverwendungen nicht eingeschränkt werden sollen, bedarf es für zusätzliche Maßnahmen beim Insektenschutz zusätzliche Mittel. - Die Umsetzung der bereits mit dem Regionalen Entwicklungskonzept beschlossenen Natur- und Insektenfreundlichen Wegerandbewirtschaftung
„Erarbeitung eines Konzept zur ökologischen Wegerandbewirtschaftung“ Zitat S. 55 REK „Speziell die Wegeränder stellen ein wichtiges Refugium für die Natur dar. Oftmals können nur hier Pflanzen zur Blüte kommen und die zur Fortpflanzung notwendige Samenbildung entwickeln, Insekten den notwendigen Nektar sammeln und Vögel ihre Nahrung finden. Orientiert an einem vom Kreis Soest im Rahmen der REGIONALE 2013 realisierten Pilotprojekt soll deswegen ein Konzept zur ökologischen Wegerandbewirtschaftung erarbeitet werden, dass die zur Wegeunterhaltung notwendige Pflege der Randstreifen unter wirtschaftlichen und ökologischen Gesichtspunkten optimiert und gleichzeitig die biologische Vielfalt entlang der die Siedlungspunkte verbindenden Wege anreichert.“
Begründung:
Für den Insektenschutz hat die ökologische Wegerandbewirtschaftung eine herausragende Bedeutung. An Wegerändern gibt es eine vergleichsweise hohe Pflanzenvielfalt, die auch spezialisierten (Insekten)Arten noch Nahrung bieten könnte. Darüber hinaus erfüllen Sie eine Vernetzungsfunktion und sind oft der letzte Rest einer ursprünglich vielfältigen und artenreichen Flora und Fauna. Für die konkrete fachliche Umsetzung braucht es eine intensive Zusammenarbeit des Kreises Siegen-Wittgenstein mit den Kommunen, Bauhöfen, Landesbetrieb Straße, Landwirtschaft und Privatanliegern. Die gute ökologische Praxis sollte endlich klar definiert und mit allen „Bewirtschaftern“ eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden. Eine Handreichung dafür bieten auch „der Praxis-Leitfaden für artenreiche Blühende Vielfalt am Wegesrand, Weg- und Feldraine, LANUV-Info 39“ und „die Broschüre „Straßenbegleitgrün“ Hinweise zur ökologisch orientierten Pflege von Gras- und Gehölzflächen an Straßen aus Baden-Württemberg“. Darüber hinaus hat der im REK erwähnte Kreis Soest, in seinem Wegerandprogramm auch eine Überprüfung durchgeführt, inwieweit öffentliche Flächen von privaten Grundstückseigentümern mitbewirtschaftet werden. Datengrundlage dieser Auswertung sind Feldblockdateien sowie eine Datei mit öffentlichen Flurstücken. Auch in Siegen-Wittgenstein gibt es zahlreiche Wegrandflächen und sogenannte „Gewannwege“, die in Feldblöcken intensiv mitbewirtschaftet werden. Um einen Ausgleich zwischen den Bewirtschaftungserfordernissen der Landwirtschaft und dem dringend notwendigen Insektenschutz zu erreichen, könnten diese Flächen ggf. in Randbereichen der Feldblöcke ausgeglichen werden. - Eine deutliche jährliche Erhöhung des Anteils der Flächen im Kulturlandschafts-programm Begründung:
Traditionell bemüht sich der Kreis Siegen-Wittgenstein, die Zielsetzungen des Natur- und Landschaftsschutzes vorrangig mit freiwilligen Vereinbarungen und Verträgen zu erreichen. Im Sinne des Insektenschutzes wäre die Ausweitung der KULAP-Flächen in extensiver Bewirtschaftung mit späterer Mahd, dem Verzicht auf Dünger und Pflanzenschutzmittel eine herausragend geeignete Maßnahme zum verbesserten Insektenschutz. Aktuell sind rund 10% der Grünflächen im Kreisgebiet im Programm. Dazu schrieb die Verwaltung in V 285/2015, 1. Ergänzung: „Dies ist auch im landesweiten Vergleich ein hoher Wert und trotzdem sind noch zahlreiche Grünlandflächen, die eine hohe ökologische Wertigkeit haben, vertraglich noch nicht gebunden bzw. wird deren Bewirtschaftung noch nicht gefördert. Es ist deswegen grundsätzlich wünschenswert und sinnvoll, mit dem Bemühen um eine zusätzliche Einbeziehung von solchen Flächen auf der einen Seite die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft zu verbessern und auf der anderen Seite das Erreichen der Ziele des Biotop- und Artenschutzes zu unterstützen. Allerdings müssen hierfür tatsächlich die personellen Voraussetzungen geschaffen werden.“ und „Wenn man die Grünlandflächen berücksichtigt, die innerhalb des Kreises in den ausgewiesenen Naturschutzgebieten liegen, dann besteht allein dort noch die Möglichkeit, neben den bereits bestehenden Vertragsflächen weitere 2.000 ha in den Vertragsnaturschutz zu übernehmen. Zusätzlich liegen im gesamten Kreisgebiet mehr oder weniger verstreut außerhalb der Naturschutzgebiete geschützte Flächen nach § 30 BNatSchG (ca. 500 ha), für die sich ebenfalls der Vertragsnaturschutz anbietet. Zu-sätzlich zu diesen Flächen sind noch weitere Bereiche für das Kulturlandschaftsprogramm interessant. Es handelt sich hier um Flächen, die eine hohe Bedeutung für FFH-relevante Arten wie Braunkehlchen, Neuntöter, Wiesenknopf-Ameisenbläuling usw. haben oder FFH-Lebensraumtypen darstellen. Hierbei geht es neben den eigentlichen Brut- und Vorkommensflächen auch um die Bereiche, die als Nahrungsgebiet eine hohe Bedeutung haben. Derzeit fließen jährlich ca. 650.000 € für das Kulturlandschaftsprogramm an EU- und Landesmitteln in den Kreis Siegen-Wittgenstein. Neben den Personalkosten für die Verwaltungsarbeit liegt der Eigenanteil bei nur 20.000 €. Davon ausgehend, dass bei einer Stellenbesetzung ohne finanzielle Förderung zusätzliche Kosten in Höhe von 70.000 € entstehen, so werden sich diese bereits durch eine Vergrößerung der KULAP-Gesamtfläche um 12 % amortisieren.“
Mit freundlichen Grüßen
Meike Menn, Fraktionssprecherin
Anke Hoppe-Hoffmann, Fraktionsgeschäftsführerin
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